Hoffnung (1)

Jeder hatte einen Hebel. Bei Klaas Weniger war es Macht. Bei Nick war es Stolz. Und bei Sergeant Kerr – so korrupt und verkorkst er auch sein mochte – war es eine sonderbar verdrehte Form von Integrität. Die Art und Weise, wie er wenige Momente jedes Wort ausgespuckt hatte, gab Nick Grün eine letzte verzweifelte Hoffnung. (Wer jetzt erst einsteigt: Was bisher geschah). Auch wenn der Schotte keine Anstalten machte, auf seine letzte Bemerkung noch einmal einzugehen. Stattdessen stand er stöhnend auf, streifte seine Uniformjacke über und blickte über den See. „Where have you put the body, lad?“

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Sergeant Ulysses Kerr (1)

Der Polizist fläzte in einem hölzernen Gartenstuhl, hielt sein Gesicht mit geschlossenen Augen in die Morgensonne und seufzte blubbernd, als er Nick Grüns teuersten Whisky in seinem Mund hin und her fließen ließ. Seine Uniformjacke war offen, auch der Bierbauch, der in seinem weißen Hemd weit über die Stuhlkante ragte, schien die Sonne zu genießen. Nicke hatte gegenüber von ihm Platz genommen, und starrte über den See zu jener Stelle, wo er Thea Königs Leiche vermutete. Lange sagten beide nichts. Die Frühlingssonne hatte ein paar Vögel aufgeweckt, der See lag schwarz und Still umgeben von hellgrünen Hügeln. Ein leiser, warmer Wind ließ das Schilf flüstern.

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Der Anruf

„Nick Grün“, sagte Nick Grün. Stille am anderen Ende der Leitung. Dann eine bekannte Stimme. Nick hasste sie. Wenigstens klang sie nicht so aufgedreht fröhlich wie sonst.
„Nick, bist du das? Hier Klaas.“ Klang er überrascht?
„Klar, was dachtest du denn, wer dran ist. Die Polizei?“ (Für Neueinsteiger: Was bisher geschah)
War das ein Stocken, ein aufgeregtes Schnaufen? Oder doch nur ein krachen in der langen Leitung? „Nein, natürlich nicht. Es ist nur so lange her, alter Freund. Wieso sagst du sowas?“
„Weil die Polizei gerade bei mir ist.“
„Und da lassen die dich einfach ans Telefon gehen?“
Aha. „Wieso sollten sie das nicht tun?“
„Keine Ahnung, ich dachte nur… vergiss es. Ich hab ein paar harte Wochen hinter mir. Ist Thea bei dir?“ Und da war auch der Name, den er nie wieder hören wollte, den er selbst an diesem wohl schlimmsten und verrücktesten Vormittag seines Lebens vermieden hatte überhaupt zu denken. Thea. Seine Thea. Oder besser Klaas’ Thea. Thea, die jetzt in ihrem Brautkleid am Grund seines schottischen Sees lag.
„Nein. Warum?“
„Spiel keine Spielchen mit mir Nick. Hol sie bitte einfach ans Telefon.“
Nick starrte auf die beiden Whiskeygläser. Ein Abdruck schmaler, roter Lippen, kein Zweifel. Entweder er hatte gestern Nacht etwas Furchtbares getan, oder jemand anderes spielte hier.

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