Der alte Schriftsteller hatte den roten Faden verloren. Nick Grün kaufte sich ein Schloss irgendwo im schottischen Nirgendwo. Kalter, glatter See, in dem sich der dunkelblaue Himmel spiegelt, Ruhe, völlige Einsamkeit, viel Zeit zum Stifteverschieben, da musste es doch wieder funken mit der Kreativität. Das war die Idee. Es war eine Rechte-Gehirnhälfte-Entscheidung, so hatte er es seiner Frau erklärt. Die fand die ganze Aktion trotzdem komplett wahnsinnig. Und dann verließ sie ihn.
Seitdem lebte Nick alleine im schottischen Nirgendwo und trank schon morgens Whiskey. Sein grau-schwarzer Bart wurde mit der Zeit immer länger und ungepflegter, genauso seine grau-schwarzen Locken. Die einzigen Menschen, mit denen Nick noch Kontakt hatte, waren seine Haushälterin Eva, die alte Hexe, und Mr. McLoyd, der Besitzer des Tante-Emma-Ladens im nächsten Ort. Aber damit war es jetzt auch vorbei, als McLoyd ihn vor einigen Wochen als „kuriosen Menschen“ bezeichnet hatte. Er hatte den Audruck wohl aus der Lokalzeitung. Dort schrieben sie manchmal über Nick, wenn sie sonst nichts zu schreiben hatten. Über den kuriosen Schlossherren am See. Impertinente Arschlöcher. Seitdem schickte der Schriftsteller seine Haushälterin zum Einkaufen. Mit Menschen war er fertig.
Bis zu diesem Montagmorgen im März, als Nick im Bademantel mit seinem vollen Whiskeyglas auf der Terrasse stand und in seinen See schaute. Der See erwiderte selten seinen Blick. Diesmal schon. Die Frau, die tot im See trieb und mit leeren Augen in Richtung Schlossterrasse starrte, hatte keinen Bademantel an.
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