Grüns Geständnis

Als der Polizist das Wohnzimmer mit dem großen offenen Kamin erreichte, stieg ihm sofort ein markanter Geruch in die Nase. Ein Aroma, das er selbst nur zu oft genossen hatte, das ihm so vertraut war, wie der Geschmack der ersten milden Seeluft nach einem langen, kalten Winter. Zigarrenrauch. Ein Feuer knisterte im Kamin. Der Schriftsteller stand mit einer qualmenden Zigarre in der einen Hand am Kamin, und zerknüllte mit der anderen Papier, bevor es in die immer größer werdende Flamme warf. Hektisch, konzentriert, als ob es gerade die wichtigste Sache auf der Welt wäre. Was verbrannte der sonderbare Deutsche da? Was wollte er vertuschen?

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Der Krimi-Autor und sein erster Tatort

„Hello Officer, was kann ich für sie tun?“ Der Polizist starrte die nackte, bärtige Erscheinung an, die gerade über die Stufen aus dem See zur Terrasse hinaufgestiegen war. Grüner Schlick rutschte über Grüns Brust, versuchte sich kurz als Feigenblatt, um dann jenes Körperteil noch unpassender, tropfend zu verlassen. Der Polizist erholte sich überraschend schnell von dem Anblick.  „You are Nick Green, the Writer.“ Es klang mehr nach Feststellung als Frage.  „Yes Sir.“ Das Sir war zu dick aufgetragen. Egal, der Tanz hatte begonnen. Jetzt zählte das Spiel.

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Bis auf den Grund

Nichts machte so nüchtern, wie eine Leiche an einem kalten Frühlingsmorgen. Besser als eine Kanne dampfender Espresso. Das stimmte nicht ganz. Obwohl er immer noch bis zur Brust in seinem kalten See stand, dessen Wasser seinen Körper wie tausend kleine Nadeln traktierte, durchfuhr den gescheiterten Romanautor ein noch kälterer Schauer, als er das Geräusch des Wagens bemerkte, der sich langsam die Serpentinen hinaufarbeitete. In einer halben Minute würde der unbekannte Fahrer das alte gusseiserne Tor passieren und den Vorplatz erreichen. Von dort hatte man einen wundervollen Blick auf den See – in diesem Fall: Auch auf eine tote Frau in ihrem Hochzeitskleid und einen bärtigen Mann mit seinem nassen Bademantel und Tränen in den Augen.

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Der Krimi-Autor und seine erste Leiche

Der alte Schriftsteller hatte den roten Faden verloren. Nick Grün kaufte sich ein Schloss irgendwo im schottischen Nirgendwo. Kalter, glatter See, in dem sich der dunkelblaue Himmel spiegelt, Ruhe, völlige Einsamkeit, viel Zeit zum Stifteverschieben, da musste es doch wieder funken mit der Kreativität. Das war die Idee. Es war eine Rechte-Gehirnhälfte-Entscheidung, so hatte er es seiner Frau erklärt. Die fand die ganze Aktion trotzdem komplett wahnsinnig. Und dann verließ sie ihn.

Seitdem lebte Nick alleine im schottischen Nirgendwo und trank schon morgens Whiskey. Sein grau-schwarzer Bart wurde mit der Zeit immer länger und ungepflegter, genauso seine grau-schwarzen Locken. Die einzigen Menschen, mit denen Nick noch Kontakt hatte, waren seine Haushälterin Eva, die alte Hexe, und Mr. McLoyd, der Besitzer des Tante-Emma-Ladens im nächsten Ort. Aber damit war es jetzt auch vorbei, als McLoyd ihn vor einigen Wochen als „kuriosen Menschen“ bezeichnet hatte. Er hatte den Audruck wohl aus der Lokalzeitung. Dort schrieben sie manchmal über Nick, wenn sie sonst nichts zu schreiben hatten. Über den kuriosen Schlossherren am See. Impertinente Arschlöcher. Seitdem schickte der Schriftsteller seine Haushälterin zum Einkaufen. Mit Menschen war er fertig.

Bis zu diesem Montagmorgen im März, als Nick im Bademantel mit seinem vollen Whiskeyglas auf der Terrasse stand und in seinen See schaute. Der See erwiderte selten seinen Blick. Diesmal schon. Die Frau, die tot im See trieb und mit leeren Augen in Richtung Schlossterrasse starrte, hatte keinen Bademantel an.

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